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18.08.2023

Interview General-Anzeiger

Gespräch des General-Anzeigers mit Dominik Neswadba über die Herausforderungen und Wiederaufbauarbeit nach der Flut im Ahrtal durch die Ahrtal-Werke.
Das Gespräch wurde geführt von Victor Francke.

Rund 25.000 von 28.000 Menschen waren vor zwei Jahren in Bad Neuenahr-Ahrweiler von der Flutkatastrophe betroffen. Trotz der enormen Zerstörungen gelang es den erst vor 13 Jahren gegründeten Ahrtal-Werken als kommunaler Energieversorger recht schnell, die Bevölkerung wieder mit Wärme und Strom zu versorgen, wie auch die Trinkwasserversorgung der Bevölkerung durch die Kreisstadt wiederhergestellt werden konnte, obwohl das Leitungsnetz weitgehend zertrümmert war. Neben der Schadensbeseitigung bauen die Ahrtal-Werke an ihrem Fernwärmenetz. Mit Geschäftsführer Dominik Neswadba sprach Victor Francke.

General-Anzeiger: Die Flutkatastrophe hat auch die Ahrtal-Werke vor enorme Herausforderungen gestellt. Welches Szenario bot sich Ihnen am 14./15. Juli 2021?

Dominik Neswadba: Gemessen am Ausmaß der Zerstörungen war Bad Neuenahr-Ahrweiler besonders hart von der Flutkatastrophe betroffen. Wir hatten bereits am Vortag der Flut mit der Sicherung von hochwassergefährdeten Stromnetzstationen sowie Wärmeversorgungsanlagen begonnen. Noch in der Flutnacht wurden im weiteren Verlauf Maßnahmen zur Abwehr von Gefahren für Leib und Leben umgesetzt. Aber erst mit Sonnenaufgang wurde das Ausmaß des Schadens wirklich deutlich. So waren im Stromnetz acht von zehn Ahrquerungen zerstört, 70 von 180 Umspannstationen nicht mehr betriebsfähig, mehrere hundert Kabelverteiler sowie 12.000 von etwa 20.000 Anschlusspunkten und Zählern zerstört. Auch in der Fernwärme kam es zu einem vollständigen Ausfall unserer Erzeugungskapazitäten. Es gab gravierende Schäden an unserem im Bau befindlichen Kraftwerk an der Kreuzstraße wie auch eine immense Schädigung des Wärmeverteilnetzes. Darüber hinaus wurde unsere Hauptverwaltung überspült. Unser Bemühen, für unsere Kunden vor Ort ansprechbar zu sein, wurden dadurch erschwert, dass außerdem ja kreisweit die telefonische Infrastruktur zusammengebrochen war. Zeitgleich zur notwendigen Bestandsaufnahme musste umgehend mit Maßnahmen zur Wiederherstellung der Versorgung begonnen werden. Von den etwas mehr als 28.000 Einwohnern unserer Stadt waren ja rund 25.000 Menschen von der Flut betroffen.

General-Anzeiger: Trotz der fatalen Schadenslage gelang es eigentlich recht schnell, die Bevölkerung wieder mit Gas, Wasser, Wärme und Strom zu versorgen und Abwasser zu entsorgen. Sieht man einmal von der Trinkwasserversorgung und der Entsorgung der Abwässer – für die Sie nicht zuständig sind – ab: wie haben Sie das mit Ihrer eigentlich ja recht kleinen Mannschaft hinbekommen? Wo lagen die größten Herausforderungen?

Dominik Neswadba: Unser Ziel bestand in einer schnellstmöglichen Wiederversorgung möglichst großer Teile der Bevölkerung. Um das zu erreichen, folgten kräftezehrende Monate, in denen rund um die Uhr gearbeitet wurde. Sämtliche Mitarbeiter, wie auch eine Vielzahl solidarischer Partnerunternehmen und Helfer, gingen in dieser Zeit an die Grenzen ihrer Kräfte. Mehr als 150 qualifizierte Helfer wurden zeitgleich durch unser Team in einer provisorisch errichteten Einsatzzentrale koordiniert. Bereits nach wenigen Tagen konnte die Versorgungsfähigkeit der Fernwärme wieder vollständig hergestellt werden. Das war ein enormer Kraftakt. Knapp sechs Wochen nach der Flut konnten wir zudem bereits die 100-prozentige Versorgungsfähigkeit mit Strom verkünden.

General-Anzeiger: Sie sind ja auch Eigentümer des Gasnetzes, das verpachtet ist….

Dominik Neswadba: Ja, auch den Kollegen gelang es, die Wiederversorgung schneller als erwartet wiederherzustellen, so dass die Gasversorgung im Dezember wieder gewährleistet war.
Das Ausmaß aller Infrastrukturschäden war monströs, die Arbeitsbedingungen aufgrund der Zerstörung sehr schwierig und psychisch ausgesprochen anspruchsvoll. Nicht zu vergessen ist auch, dass es zusätzlich regelmäßig zu Folgeschäden kam, weil solidarische Helfer mit guten Absichten bei Wiederaufbaumaßnahmen aufgrund nicht eingeholter Leitungsauskünfte, versehentlich das bereits wiederhergestellte Stromnetz erneut beschädigten. Auch die finanziellen Herausforderungen waren ausgesprochen groß. Flutbetroffenen Mitmenschen, die deren Messeinrichtungen zerstört worden waren, wurden teilweise bis in den August 2022 kostenlose Notstromlieferungen bereitgestellt.

General-Anzeiger: Mitten in Ihren Aufräum- und Aufbauarbeiten platzte der Ukraine-Krieg, in dessen Folge die Energiepreise in die Höhe katapultiert wurden. Während sich die Strompreise bei anderen Anbietern für die Endverbraucher drastisch erhöhten, liegen die Steigerungen der Ahrtal-Werke für Ihre Kunden in einem sehr moderaten Bereich. Wieso ist das so?

Dominik Neswadba: Wir sind das Stadtwerk der Bürger von Bad Neuenahr-Ahrweiler. Als solches möchten wir vor Ort Verantwortung übernehmen. Nach der zuvor erlebten Naturkatastrophe war es uns wichtig unsere bereits durch die Flut stark geschädigten Kunden vor Ort nicht noch zusätzlich zu belasten. Daher haben wir auf weitere Strompreisanpassungen in 2022 verzichtet. Obwohl die Beschaffungspreise für Strom an der Börse von 60 Euro/Megawattstunde noch Mitte 2021 auf mehr als 1.000 Euro/MWh im August 2022 explodierten, hielten wir unsere Preise konstant. Aufgrund der anhaltenden hohen Beschaffungspreise waren wir Anfang 2023 gezwungen kurzzeitig auch unsere Preise anzupassen, die wir mittlerweile jedoch bereits wieder gesenkt haben.

General-Anzeiger: Neben den vielen flutbedingten Aufräum- und Reparaturarbeiten buddeln Sie sich aber auch bei der Fernwärme in Bad Neuenahr von Straßenzug zu Straßenzug immer weiter ins Erdreich. Wie ist hier der Stand der Dinge?

Dominik Neswadba: Wir registrieren, dass die Beliebtheit der Fernwärme kontinuierlich steigt. Der einhergehende Ausbau des Fernwärmenetzes hat dazu geführt, dass unser Netz heute bereits eine Gesamtlänge von mehr als 15 Kilometer erreicht hat. Dieser Trend hat nach der Flut nochmals deutlich zugenommen, weil viele Flutbetroffen nun auf der Suche nach einer zukunftsfähigen Lösung bei der Wahl eines neuen Heizsystems waren. Die in Deutschland durch den russischen Angriffskrieg in der Ukraine drohende Gasmangellage verdeutlichte darüber hinaus, dass sich perspektivisch eine ausgeprägte Abhängigkeit von Dritten negativ auswirken kann. Der deutliche Kundenzuwachs ist auch aus ökologischer Sicht erfreulich, denn die Ahrtal-Werke haben bereits vor der Flut ihre Fernwärme mit einem CO2-Äquivalent von 0,00 produziert, was gleichbedeutend ist mit dem Einsatz von 100 Prozent erneuerbaren Energien in der Wärmeerzeugung.

General-Anzeiger: Wie sieht die Zielvorstellung der Ahrtal-Werke für den Geschäftszweig „Fernwärme“ aus? Wo wollen Sie in zehn Jahren stehen?

Dominik Neswadba: Der Wärmemarkt wird sich in den kommenden Jahren stark verändern. Die Bundesregierung forciert sehr deutlich den Umbau von Öl, Gas oder Kohle zu einer erneuerbaren, dekarbonisierten Wärmeerzeugung, um dem Klimawandel entgegenzuwirken. Der Aufbau von Fernwärmenetzen ist in diesem Zusammenhang expliziter politischer Wille. Diesbezüglich sind die Ahrtal-Werke der Zeit voraus, da die nachhaltige, regionale Erzeugung verbunden mit dem konsequenten Aufbau unseres Wärmenetzes bereits seit mehr als zehn Jahren gelebt wird. Wir glauben, dass das Interesse, wie auch der Bedarf an einer ökologischen Wärmeversorgung in Bad Neuenahr-Ahrweiler zukünftig deutlich steigen wird. Um unseren Mitmenschen eine preiswerte, ökologische Wärmeversorgung anbieten zu können, planen wir auch weiterhin mit einem konsequenten Ausbau unseres Fernwärmenetzes.